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Gemeinsames Bangen um den „Patient Lokaljournalismus“

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Hat der Lokaljournalismus und die Print noch eine Zukunft? Gemeinsam mit Vetreter*innen aus der Medienbranche wurde im Eckstein, dem Pop-Up-Store der Universität Tübingen, eifrig diskutiert. Neben der Kupferblau mit dabei: Moritz Siebert (Tagblatt), Viktoria Boll (Stadtkind Tübingen) und Ulrich Hägele (Institut für Medienwissenschaft). 

Gut gefüllt war es im Eckstein in der Innenstadt Tübingens. Dort versammelten sich trotz der Hitze einige Menschen, besonders junge Medieninteressierte, und saßen gemeinsam am großen Tisch, um sich mit der Zukunft der Presse und des Lokaljournalismus auseinanderzusetzen.

Der Pop-Up-Store Eckstein der Universität Tübingen bietet Angebote, um Wissenschaft und Gesellschaft in den Dialog zu bringen. Letzten Samstag Nachmittag konnte man sich dort bei der Diskussionsrunde „Patient Lokaljournalismus: Tod oder Wiedergeburt?“ beteiligen. Gehostet wurde das Event von der Kupferblau, moderiert vom Herausgeber Marcel Gauck. Als Expert*innen wurden drei Medienschaffende eingeladen: Moritz Siebert, der als Redakteur beim Tagblatt arbeitet, Viktoria Boll, die den Instagram-Kanal Stadtkind Tübingen betreibt und Ulrich Hägele, Dozent für Medienwissenschaften an der Universität Tübingen. Alle drei beschäftigen sich beruflich mit Journalismus und diskutierten mit allen Anwesenden die Frage: Wie steht es um den Lokaljournalismus und hat er eine Zukunft?

Form- und Funktionswandel des Lokaljournalismus

Gleich zu Beginn der Diskussionsrunde wurde auf die aktuellen Auflagen des Schwäbischen Tagblatts verwiesen. Laut Wikipedia liegen diese 2025 bei 29.211 Exemplaren. Seit 1998 ist das ein Minus von 38,5 Prozent. Für viele Familien gehört die Zeitung an den Frühstückstisch wie Brot und Butter, doch zählt das lange nicht mehr für den Großteil der Haushalte. Das Interesse am klassischen journalistischen Angebot, jeden Morgen eine gedruckte Ausgabe aus dem Briefkasten zu holen, schwindet. Menschen informieren sich immer mehr durch Online-Medien. Die Print bleibt auf der Strecke. Dabei ist sie die Haupteinkommensquelle der Lokalpresse. Am Tisch im Eckstein ist man sich einig: Das ist ein großes Problem, denn Journalismus, das Recherchieren und Aufarbeiten von Informationen, kostet eben Geld.

Heißt das, dass neue, kostenlose Angebote aus dem Internet die Presse verdrängen? Nicht zwingend. Angebote auf Social Media sind zwar eine Marktkonkurrenz zum traditionellem Journalismus, allerdings unterliegen der journalistischen Arbeitsweise die Maßstäbe des Presserechts, womit auch eine andere Qualität einhergeht. Das macht sie verlässlicher und neutraler als so manche Angebote auf Social Media.

Anwesende durften ihren Zeitungskonsum mit einem blauen Punkt verorten. Die vorläufige Prognose für den Lokaljournalismus: Durchaus gelesen, aber Tendenz schwankend. Bild: Carlos Schmitt

Der klassische Journalismus wird durch das Internet maßgeblich umgekrempelt. Ausführliche Textformen werden durch Short-Form-Content verdrängt. Das rückt Journalist*innen in die Bredouille. Sie müssen sich an die neuen Medienformate anpassen, um relevant zu bleiben. Die journalistische Textform wird verkürzt und leichter verdaulich gemacht. Gleichzeitig werden Nachrichten dadurch reduziert darstellt, wodurch der Berichterstattung Tiefe verloren geht. Trotzdem sind sich die Anwesenden einig: Der Lokaljournalismus wird sich anpassen und diese Änderungen überleben. Wie er das tun soll, das ist schwierig zu sagen.

Demokratie braucht Lokalpresse

Schon in den letzten Jahrzehnten konnte man beobachten, wie durch die schrumpfenden Auflagen den Redaktionen die Finanzierung genommen wurde. Vermehrt in ostdeutschen Ortschaften, in denen die Lokalredaktionen bereits ausgestorben sind, konnte man beobachten, wie kostenlose Anzeigeblätter von rechter Gesinnung versuchen diese Lücke zu schließen.

Nicht nur Vertreter*innen der Medienbranche saßen mit am Tisch, sondern auch eine interessierte Stadtbevölkerung. Bild: Vivian Viacava Galaz

Dabei sind Lokalzeitungen gesellschaftlich enorm wichtig. Redakteur*innen ordnen große Geschichten im Kleinen ein. Das schafft Perspektive und stärkt das Demokratiebewusstsein der Leser*innen, nicht zuletzt weil Bürger*innen so über kommunalpolitische Entscheidungen auf dem Laufenden gehalten werden. Ohne Lokalpresse fehlt es an Zugänglichkeit zur politischen Teilhabe. Gibt es kein Outlet für Berichterstattung mit journalistischem Anspruch in jedem Dorf, schwindet die Demokratiebereitschaft.

Eine ernste Diagnose

In der Abschiedsrunde der Diskussion machen einige Teilnehmer*innen erneut klar, dass der Lokaljournalismus nicht ausstirbt. Die Zukunft der Presse ist online. Sie muss sich eben an eine neue Medienlandschaft anpassen, um weiterhin relevant zu bleiben. Besonders wichtig ist, dass dieser Wandel unter den journalistischen Grundsätzen geschieht. Das Festhalten am Pressekodex einerseits und die bald ausschließliche Finanzierung über das Internet andererseits wird eine heikle Gratwanderung für die Verlage sein.

Beitragsbild: Carlos Schmitt

Der Beitrag Gemeinsames Bangen um den „Patient Lokaljournalismus“ erschien zuerst auf Das Tübinger Campusmagazin.


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