Am 18. Januar eröffnet das Kollektiv Ramasuri die Ausstellung „Collecting Love – Kritische Perspektiven auf Liebe“ in der Shedhalle (18.01-25.01). Ihr Projekt zielt darauf ab, die vielfältigen Facetten von Liebe aus neuen Blickwinkeln zu betrachten. Das Kollektiv im Interview.
Es ist Sonntag, 12 Uhr. Im Café Willi herrscht ordentlicher Andrang. Tassen klirren und dick eingepackte Kaffeeliebhaber*innen entfliehen der eisigen Kälte. An einem der Tische sitzen wir mit Katharina Wurzinger und Emily Neupert vom Kollektiv Ramasuri, das im August 2024 gegründet wurde. Bei einer Tasse Tee erzählen sie uns über ihre Ausstellung, ihre Motivation und den Namen des Kollektivs.
Positives Chaos
Kupferblau: Zuerst einmal, was bedeutet eigentlich euer Name „Ramasuri“?
Kollektiv: Wir haben sehr lange überlegt, welchen Namen wir nehmen möchten und letztendlich war irgendwie klar, dass wir einen Begriff haben wollen, der Chaos bedeutet. Aber auf eine positive Weise. Ramasuri ist ein Wiener Wort und heißt so viel wie Wirbel oder großes Durcheinander, aber auf eine nette und cute Art. Das ist ein bisschen die Herangehensweise, mit der wir das ganze Projekt machen wollten: das bestehende Konzept durchschütteln und ein bisschen Chaos stiften.
Kupferblau: Wie seid ihr auf das Oberthema Liebe für eure Ausstellung gekommen?
Kollektiv (Katharina Wurzinger): Ich habe das Thema eigentlich mehr oder weniger allein initiiert. Die genauen Details haben wir dann in der Gruppe ausgearbeitet. Der Grund, warum das von mir ausgegangen ist, waren die Diskurse über Tradwives und diese ganzen Dating-Tipps, die „feminine“ und „maskuline“ Energie thematisiert und somit eine sehr patriarchale und rückwärtsgewandte Vorstellung von Liebe popularisiert haben. Diesem konservativen Backlash wollten wir etwas entgegenstellen und uns anschauen, was Liebe eigentlich noch alles sein kann.
Kreativer Austausch und klare Haltung: Die Entstehung von Ramasuri
Aus einem kleinen Kreis von Freund*innen und Bekannten entwickelte sich das Kollektiv im Spätsommer 2024 weiter, als unter anderem Kunsttherapiestudent*innen aus Nürtingen dazukamen. Heute umfasst Ramasuri rund 20 Mitwirkende, die sich um einen festen Kern von sechs Mitgliedern gruppieren. Manche bleiben, andere ziehen weiter – ein Kommen und Gehen, das den kreativen Austausch lebendig hält.
Über Intensivwochenenden und selbstorganisierte Workshops hat sich die Gruppe nicht nur besser kennengelernt, sondern auch gemeinsam ihre Vision geschärft. Dabei ging es um weit mehr als nur kreative Brainstorming-Runden: Sie haben Perspektiven diskutiert, über Zielgruppen nachgedacht und klar formuliert, welchen Themen sie bewusst keine weitere Plattform geben wollen. Gleichzeitig haben sie sich damit auseinandergesetzt, was an Liebe eigentlich kritisch beleuchtet werden sollte.
Kupferblau: Was war euch bei der Auswahl der Ausstellungs-Beiträge wichtig?
Kollektiv: Für uns war ganz klar, dass wir keine diskriminierenden, sexistischen, homophoben, queerfeindlichen oder transfeindlichen Sachen ausstellen werden. Explizit wollten wir auch Klischee-Darstellungen vermeiden, weil wir der Meinung sind, dass es davon schon sehr viele um uns herum gibt. Im Grunde haben wir uns immer wieder die Frage gestellt, ob ein Beitrag eine neue Perspektive liefert oder Bestehendes hinterfragt.
Interaktive Beiträge – mehr als nur Zuschauen
Die Ausstellung vereint unterschiedlichste Arbeiten – einige stammen von Mitwirkenden des Kollektivs, andere wurden extern eingereicht. Die meisten Beiträge kommen aus der Region, aber es gibt auch Werke aus Berlin und Leipzig. Eine Besonderheit der Ausstellung ist es, dass Besucher*innen auch die Möglichkeit haben, sich selbst auf interaktive Weise einzubringen.
Kupferblau: Welche Beiträge erwarten die Besucher*innen?
Kollektiv: Wir haben eine bunte Mischung an Beiträgen, darunter auch partizipative. Wir wollen eben nicht nur zeigen, was wir glauben, sondern auch einen Diskurs anregen. Im Prinzip geht es darum, in der Ausstellung einen Input zu bekommen und bei den partizipativen Beiträgen dann auch selber ins Machen zu kommen, sich selbst zu reflektieren und neu zu erfinden. Die Grundidee war, dass wir alle keine Lust auf diesen klassischen Museumskontext hatten, der sehr steif und rigide ist, in dem man nicht reden oder sich austauschen darf und immer nur flüstern muss.
Kupferblau: Was für partizipative Beiträge gibt es denn?
Kollektiv: Wir haben beispielsweise eine Annoncen-Station, wo auf alle möglichen Weisen Annoncen geschrieben werden können von Personen, die Personen suchen. Also entweder wirklich wie so eine Art Datingbörse, oder eben um sich mit einer Person zu treffen, Freundschaften zu schließen, oder um irgendwie anzukommen.
Kupferblau: Gibt es noch etwas, was ihr loswerden wollt?
Kollektiv: Uns ist es wichtig zu sagen, dass wir Deutungsangebote machen. Wir wollen uns aber nicht auf ein Podest stellen und sagen, dass wir durchblickt haben, was Liebe ist. Es geht uns stattdessen darum, den Raum zu öffnen, Fragen zu stellen und alte Antworten anzuzweifeln. Es gibt große Unterschiede zwischen dem Liebesverständnis, das man durch Medien und gesellschaftliche Gefüge anerzogen bekommt, und dem, was zu einem persönlich passt. Viele denken gar nicht mehr darüber nach, das Liebesverständnis zu reflektieren, sondern eher daran, es zu erfüllen. Wir bieten eine gute Basis, um das vielleicht zu ändern.
Die harten Fakten
Einen stimmungsvollen Auftakt zur Ausstellung bietet die Vernissage am kommenden Samstag um 18 Uhr mit Sektempfang, Speed-Dating-Event und einem DJ-Set. Ab Sonntag ist die Ausstellung täglich von 16 bis 20 Uhr geöffnet und wird von einem Rahmenprogramm begleitet, das Kunst und Bildung miteinander verbinden soll.
Die finanzielle Unterstützung durch die Stadt Tübingen, im Rahmen ihrer Kulturförderung, hat das Projekt ermöglicht. Die Förderstelle sei laut Kollektiv besonders zugänglich und unterstützend – ein starkes Zeichen dafür, dass auch Grassroots-Projekte eine Chance haben, realisiert zu werden. Der Eintritt basiert auf Spendenbasis, um die Ausstellung für alle Interessent*innen zugänglich zu machen.
Beitragsbild: Kollektiv Ramasuri.
Der Beitrag Tatsächlich… Liebe? – Eine Einladung zur Reflexion erschien zuerst auf Das Tübinger Campusmagazin.